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Erbrecht - NACH DEM ERBFALL

Erbscheinverfahren

Nach dem Tod eines Menschen, ist häufig die Rede vom „Erbschein“.

Es stellen sich etliche Fragen wie:

  • Was ist ein Erbschein?
  • Ist die Testamentseröffnung das Erbscheinverfahren?
  • Wird eine Person durch den Erbschein zum Erben?
  • Wer kann den Erbschein beantragen?
  • Wer braucht einen Erbschein?
  • Reicht nicht auch die Eröffnung des Testaments bzw. Erbvertrages?
  • Wie und wo bekommt man den Erbschein?
  • Wie lange ist ein Erbschein gültig?

Nachfolgend klären wir die relevanten Aspekte des Erbscheins.

Nach dem Tod des Erblassers (so wird der Verstorbene genannt) kann sich die Erbfolge entweder aus einem Testament bzw. Erbvertrag des Erblassers ergeben oder aus dem Gesetz. Die gesetzliche Erbfolge kommt immer dann zum Tragen, wenn der Erblasser keinen letzten Willen formuliert hat.

Es braucht in vielen Fällen die Feststellung, wer Erbe geworden ist und mit welchem Anteil, also welcher Erbquote.

Was ist ein Erbschein?

Ein Erbschein ist ein Dokument, welches vom Nachlassgericht ausgestellt wird. Mit dem Erbschein kann der Nachweis erbracht werden, dass die in dem Erbschein ausgewiesene Person Alleinerbe oder Miterbe mit einer bestimmten Erbquote geworden ist.

Der Erbschein weist unter anderem den oder die Erben mit entsprechender Erbquote aus, zum Beispiel „Erbe zu ½“ oder „Erbe zu 1/6“.

Auch enthält der Erbschein Informationen für den Rechtsverkehr, welchen Beschränkungen der Erbe unterliegt. Zum Beispiel die Beschränkung eines Vorerben oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

Wenn der Erbe nur ein „nicht befreiter Vorerbe“ ist, kann der Vorerbe nur die „Früchte“ des Nachlasses für sich behalten, aber nicht frei über den Nachlass verfügen kann. Der Vorerbe, der vom Erblasser nicht von den Beschränkungen befreit wurde, kann zum Beispiel die Miete einer vermieteten Wohnung für sich verwenden, nicht aber die Wohnung verkaufen, um den Verkaufserlös zu vereinnahmen.

Sollte eine Testamentsvollstreckung angeordnet sein, darf der Erbe nicht über den Nachlass und einzelne Gegenstände verfügen. Diese Rechte, zum Beispiel eine Immobilie zu verkaufen, steht nur dem Testamentsvollstrecker zu.

Die Beschränkungen werden bei Immobilien auch ins Grundbuch eingetragen. Vor der Änderung des Grundbuches hat das Nachlassgericht diese Umstände zu prüfen und im Erbschein zu vermerken.

Ist die Testamentseröffnung das Erbscheinverfahren?

Zu unterscheiden ist das Erbscheinverfahren von der Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht.

Die Testamentseröffnung erfolgt nach dem Tod des Erblassers, wenn Testamente oder ein notarieller Erbvertrag vorhanden sind.

Notarielle Testamente und Erbverträge sind hinterlegt beim Nachlassgericht und werden eröffnet, wenn das Gericht vom Tod des Erblassers erfährt.

Eigenhändige Testamente, die vom Erblasser selbst aufbewahrt wurden und nicht amtlich hinterlegt oder im Testamentsregister registriert sind, müssen beim Nachlassgericht abgegeben werden.

Die Testamentseröffnung erfolgt durch den zuständigen Rechtspfleger beim Nachlassgericht und bedeutet (nur) die Prüfung, ob die abgelieferten bzw. hinterlegten Dokumente letztwillige Verfügungen sind.

Ausgesondert werden Dokumente, die auf den ersten Blick keine wirksamen Testamente sein können. Dies wäre zum Beispiel der Fall bei „Testamenten“, die am Computer geschrieben wurden oder erkennbar nicht vom Erblasser selbst stammen, also offensichtlich gefälscht sind oder vom Erblasser nicht selbst unterschrieben sind.

Die Testamente bzw. Erbverträge, werden vom Gericht eröffnet und den relevanten Personen bekanntgegeben. Die Dokumente werden quasi „auf den Tisch gelegt“, damit die vom Erbfall betroffenen Personen weitere Schritte einleiten können.

Eine Erteilung eines Erbscheins erfolgt in diesem Verfahren nicht.

Das gesonderte Erbscheinverfahren dient der Prüfung, welche Personen Erben geworden sind und zielt auf die Erteilung eines Erbscheins ab. Das Erbscheinverfahren muss gesondert durch einen Antrag eingeleitet werden. Das Nachlassgericht wird nicht von sich aus tätig.

Wird eine Person durch den Erbschein zum Erben?

Eine Person wird sofort mit dem Tod des Erblassers, also in der juristischen Sekunde des Versterbens Erbe.

Der Erbschein dokumentiert die Erbenstellung, verschafft sie dem Antragsteller aber nicht erst durch das Erbscheinscheinverfahren.

Es kann mitunter Monate dauern bis ein Erbschein beantragt wird und letztlich erteilt wird.  

Wer braucht einen Erbschein?

Sowohl bei gesetzlicher Erbfolge als auch bei einem, vom Verstorbenen geäußerten letzten Willen kann es erforderlich sein, die Erbfolge durch einen Erbschein nachzuweisen.

Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn im Nachlass Immobilien vorhanden sind und das Grundbuch geändert werden muss.

Reicht nicht auch die Eröffnung des Testaments bzw. Erbvertrages?

Sofern ein notarielles Testament oder ein notarieller Erbvertrag vorliegen, kann ein Erbschein entbehrlich sein, weil die Erbfolge – nach Eröffnung durch das Nachlassgericht – mit den amtlichen notariellen Dokumenten nachgewiesen werden kann.

Auch haben Banken diese Dokumente als Nachweis zu akzeptieren. Allgemeine Geschäftsbedingungen von Banken, die die Vorlage eines Erbscheins verlangen, sind nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unwirksam. Den Nachweis der eigenen Erbenstellung kann ein Erbe auch anders nachweisen, insbesondere wenn ein vom Nachlassgericht eröffnetes notarielles Testament oder ein notarieller Erbvertrag vorgelegt werden kann.

Dies gilt aber nicht, wenn es begründete Zweifel an der Erbenstellung, also Streit über die Auslegung des Testaments oder Erbvertrages gibt.

Wer kann einen Erbschein beantragen?

Antragsberechtigt sind die Personen, die als Erben in Betracht kommen. Entweder die Erben, die in einem Testament oder Erbvertrag benannt sind oder die gesetzlichen Erben, wenn kein letzter Wille des Erblassers geäußert ist.

Aber nicht nur ein Erbe, sondern zum Beispiel auch ein Gläubiger des Verstorbenen kann durch das Erbscheinverfahren feststellen lassen, wer in die „Fußstapfen“ des Erblassers getreten ist und für die Schulden aufzukommen hat.

Wie und wo bekommt man den Erbschein?

Der Erbschein ist zu beantragen beim Nachlassgericht, eine besondere Abteilung des Amtsgerichts.

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Antrag bei Gericht oder über Notar oder Rechtsanwalt

Der Antrag ist entweder zu Protokoll bei Gericht zu stellen. Alternativ kann der Antragsteller den Erbschein aber auch über einen Notar seiner Wahl beantragen.

Möglich ist die Antragstellung auch schriftlich unter Mitwirkung eines Rechtsanwalts.

Eidesstattliche Versicherung

Neben dem eigentlichen Antrag hat der Antragsteller in der Regel auch noch eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass bestimmte im Antrag gemachten Angaben richtig sind. Die eidesstattliche Versicherung kann entweder persönlich gegenüber dem Notar oder dem Gericht abgegeben werden.

Fachanwalt für Erbrecht

Zu beachten ist, dass eine eidesstattliche Versicherung nicht wirksam gegenüber einem Rechtsanwalt abgegeben werden kann. Dies ändert aber nichts daran, dass ein Rechtsanwalt für Sie den Erbschein bei Gericht beantragen kann. Bei schwierigen Konstellationen, bei denen sich Ärger anbahnt, weil das Testament auslegungsbedürftig ist, weil der Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann oder mehrere Personen die Erbfolge für sich beanspruchen, ist es ratsam, den Antrag gleich mit einem erfahrenen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht zu stellen.

Wie lange ist ein Erbschein gültig?

Die Gültigkeit eines Erbscheins ist zeitlich nicht beschränkt. Allerdings gibt es keine rechtskräftige Entscheidung im Erbscheinverfahren.

Sollten sich später andere Umständen feststellen lassen, kann der Erbschein unrichtig werden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Testament auftaucht, welches im abgeschlossenen Erbscheinverfahren noch nicht bekannt war.

Der Erbschein wäre dann einzuziehen, also vom bisher angenommen Erben wieder herauszugeben.

Es handelt sich also um eine widerlegbare Vermutung im Erbschein, dass eine bestimmte Person zum Zeitpunkt der Ausstellung des Erbscheins durch das Gericht Erbe ist.

Sollte nach Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge ein Testament später gefunden werden oder neben einem bekannten Testament ein weiteres Testament auftauchen, so ist ein neues Erbscheinverfahren durchzuführen. Es kann dazu kommen, dass ein bereits abgewickelter Erbfall rückabgewickelt werden muss. Die seinerzeit festgestellten Erben müssen dann den Nachlass an die neu festgestellten Erben herausgeben.

Insofern muss jedes Testament beim Nachlassgericht abgeliefert werden. Es spielt keine Rolle, ob bereits ein Erbschein erteilt wurde und die Beteiligten sich nun mit einer neuen Situation auseinandersetzen müssen.

Maßgeblich ist allein, was der Verstorbene wollte und nicht, was die Erben sich wünschen oder nicht für angemessen halten.

Erbscheinverfahren bei Streit und unklaren Testamenten

Das Erbscheinverfahren dient auch bei streitigen Fällen und auslegungsbedürftigen Testamenten der Klärung, welche Personen den Erblasser beerbt haben.

Es kann also auch sein, dass das Gericht die Erteilung eines bestimmten beantragten Erbscheins ablehnt, weil es in dem Verfahren zu der Überzeugung kommt, dass eine andere Person Erbe geworden ist. Zum Beispiel, weil ein Testament gefälscht ist oder aus anderen Gründen unwirksam ist.

Auch kann es sein, dass das Gericht dem Testament einen anderen Willen des Erblassers entnimmt als der Antragsteller des Erbscheins. Auch können von verschiedenen Personen Anträge gestellt worden sein, die sich widersprechen und das Gericht entscheiden muss, welche Person Erbe geworden ist.

Wenn das Nachlassgericht eine Entscheidung getroffen hat durch Beschluss, können Personen, die Einwendungen gegen die Erteilung des Erbscheins zugunsten des Antragstellers haben, Rechtsmittel einlegen und die Entscheidung vom Oberlandesgericht prüfen lassen.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Beantragung des Erbscheins und Durchführung des Verfahrens beim Nachlassgericht.

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, wir beraten Sie umfassend und unterstützen Sie bei der gesamten Erbabwicklung.